Freitag, 18. August 2017
Heute soll es mal ...
medias, 16:05h
... um Vorurteile gehen. Haben wir alle, auch wenn wir es bestreiten in unserer Selbstgerechtigkeit. Also berichte ich heute mal über meine Nachbarin. Ich nenne sie der Einfachheit halber Motzarella. So wie der Käse. Der heisst zwar Mozzarella mit "zz". Mit "tz" umschreibt der Begriff dann ein bißchen die Primärpersönlichkeit meiner Nachbarin. Motzarella ist geschätzt Mitte 50, Lehrerin, Single und hält zwei Katzen. Sie erfüllt das Klischee der sonderbaren alleinstehenden Frau absolut und voll und ganz. Eigentlich ist Motzarella eine ganz Nette. Aber halt eine Lehrerin. Und Lehrer/innen haben vormittags immer Recht und nachmittags immer frei. Motzarella aber hat auch nachmittags immer Recht und lässt das ihr spärliches soziales Umfeld auch spüren. Gelegentlich hängt Motzarella bedruckte Blätter mit Aufforderungen und Hinweisen in den Hausflur. "Bitte Türen leise schließen!", steht da drauf. Oder: "Bitte Haustüre schließen, im Garten sind Mäuse!" Manchmal finde ich sogar persönlich an mich addressierte Briefchen von Motzarella in meinem Briefkasten. Ich sei mal wieder zu laut gewesen und laut Hausordnung bestünde ab 22 Uhr Nachtruhe. Ich und laut, naja. Gut, manchmal drehe ich die Musik etwas zu laut auf. Oder die Mädels, die mich besuchen, drücken ihr Wohlbefinden bei bestimmten gemeinschaftlichen körperlichen Aktivitäten zu laut aus. Aber ansonsten bin ich eine recht ruhige Persönlichkeit. Immerhin arbeite ich zehn elf, manchmal noch mehr Stunden am Tag und falle dann nur noch erschöpft aufs Sofa. Vielleicht schnarche ich ja zu laut! Motzarella ist übrigens unglaublich leise. Genau genommen habe ich noch nie irgendein Geräusch aus ihrer Wohnung vernommen. Einmal habe ich mich sogar eine halbe Stunde vor ihre Wohnungstür gestellt und gelauscht. Nichts! Wenn ich nicht zuvor mitbekommen hätte, dass Motzarella ihre Wohnung betreten hat, hätte ich vermutet, sie sei gar nicht zu Hause. Und obgleich die Wände in unserem Haus recht hellhörig sind, vernehme ich nie ein Gespräch. Weder ein Telefonat, noch Stimmen aus Fernseher oder Radio. Nichts! Gar-nichts! Naja, infolge der Tatsache, dass ich solch ein lauter Zeitgenosse bin, hat sich in unsere nachbarschaftliche Beziehung ein wenig Unfriede eingenistet. Motzarella grüßte auf eimal knapper und unfreundlicher, ließ sich nicht mehr auf Smalltalk ein und überhaupt wirkte sie irgendwie genervt, wenn sie mich erblickte. Ich habe lange gerätselt, ob ich mir das einbilde oder ich mir eine Paranoia eingefangen habe. So wie eine lästige Erkältung. An einem Samstagmorgen hat sie mich dann schließlich überhaupt nicht mehr beachtet. Mein freundliches "Guuten Morgäään!" blieb völlig unbeachtet. Tja, das war es dann wohl zwischen mir und Motzarella. Ich grübelte, was der Auslöser für diese neue Eskalationsstufe unseres Kalten Krieges gewesen sein könnte und rekapitulierte den vorherigen Abend nochmals in Gedanken. Das Einzige, was vielleicht geräuscherzeugend gewesen sein könnte, war das Öffnen der Weinflasche ("Plopp!"), die vielleicht einen Tacken zu laut gestellte Lounge-Musik oder der finale Befriedigungsschrei meiner Kleenen, die den gestrigen Abend bei mir verbracht hatte. Das war's aber auch schon. Nicht mehr, als sonst auch.
Dann war, wie gesagt, erstmal Funkstille. Die nächsten Tage habe ich mich dann extrem superruhig verhalten, habe sogar beim Stehendpinkeln nicht ins Wasser gezielt, was ja durchaus wändedurchdringenden Plätscherlärm erzeugt, sondern habe an die Innenwandung der Keramik gepisst, so dass der Urin vollkommen geräuschfrei ins zentrale Sammellager der Toilette fließen konnte.
Fakt war: Das Verhältnis zwischen Motzarella und mir war empfindlichst und nachhaltig gestört. So ging das ein paar Wochen. Und ich war wirklich um Wiedergutmachung bemüht! Musik nur noch mit dem Blauzahn-Kopfhörer, Pissen wie oben beschrieben, Rotwein nur noch mit Schraubverschluss und meine Kleene hab ich auch nur noch in ihrer Wohnung, im Auto oder in einer H&M-Umkleidekabine gefickt.
Dann eines Tages, ich hatte mich mit der Trennung bereits begonnen abzufinden, klingelte während der Arbeit mein Handy. Fremde Nummer, Ortsvorwahl. Ich dran. "Ja, guten Morgen, Herr Medias! Hier Frau Motzarella. Ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen, dass Wasser unter Ihrer Wohnungstür hervortritt. Nicht, dass Ihre Wohnung komplett unter Wasser steht, wenn Sie heute Abend zurückkehren!"
Ach Du Sch....! Chef informiert, ich muss mal kurz heim, Wasserrohrbruch ... Ab ins Auto, so ziemlich jede Verkehrsregel ignoriert, ein Knöllchen wegen Geschwindigkeitsüberschreitung kassiert ("16 km/h zu schnell ..." - "War doch rechtfertigender Notstand!" - "Wenn Sie Widerspruch einlegen wollen, müssen Sie das schriftlich tun ..." blabla), mit quietschenden Reifen vorm Haus angehalten (dabei das zweite Knöllchen kassiert. Wegen Flaschparkens), rein in die Wohnung und ...
Na, es war halb so schlimm, hätte aber schlimmer kommen können. Ein Ventil unter dem Waschbecken im Bad war wohl undicht geworden und still und heimlich ist nun Wasser auf den Fußboden getropft, bis da eine recht beachtliche Pfütze auf den Fliesen gewesen ist, die sich den Weg in die Freiheit unter der Badezimmertür gesucht hat, von dort in den Flur und unter der Wohnungstür hindurch.
Der Schaden hielt sich aber in Grenzen. Abends habe ich mich dann schön artig bei Motzarella gedankt, habe ein sauberes Hemd angezogen, eine Flasche Wein geopfert und ein Päckchen Pralinen besorgt und bin rüber. Motzarella ist ganz gerührt gewesen, hat mich in ihre Wohnung gebeten. Dort sah es aus, wie auf den Möbelseiten des Bader-Kataloges: Unsäglich altbacken und kitschig, überall Nippes und dazwischen zwei Katzen, die mich mit Argwohn beäugten.
Mittlerweile ist mein Verhältnis zu Motzarella wieder normalisiert. Wir sprechen miteinander und zuletzt war sie sogar mal auf ein Glas Wein bei mir gewesen. Die Wände sind aber auch hellhörig, schimpfte sie, als sie das Tapsen ihrer Katzen aus ihrer Wohnung in meinem Wohnzimmer vernommen hat. Ah ja ...
Dann war, wie gesagt, erstmal Funkstille. Die nächsten Tage habe ich mich dann extrem superruhig verhalten, habe sogar beim Stehendpinkeln nicht ins Wasser gezielt, was ja durchaus wändedurchdringenden Plätscherlärm erzeugt, sondern habe an die Innenwandung der Keramik gepisst, so dass der Urin vollkommen geräuschfrei ins zentrale Sammellager der Toilette fließen konnte.
Fakt war: Das Verhältnis zwischen Motzarella und mir war empfindlichst und nachhaltig gestört. So ging das ein paar Wochen. Und ich war wirklich um Wiedergutmachung bemüht! Musik nur noch mit dem Blauzahn-Kopfhörer, Pissen wie oben beschrieben, Rotwein nur noch mit Schraubverschluss und meine Kleene hab ich auch nur noch in ihrer Wohnung, im Auto oder in einer H&M-Umkleidekabine gefickt.
Dann eines Tages, ich hatte mich mit der Trennung bereits begonnen abzufinden, klingelte während der Arbeit mein Handy. Fremde Nummer, Ortsvorwahl. Ich dran. "Ja, guten Morgen, Herr Medias! Hier Frau Motzarella. Ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen, dass Wasser unter Ihrer Wohnungstür hervortritt. Nicht, dass Ihre Wohnung komplett unter Wasser steht, wenn Sie heute Abend zurückkehren!"
Ach Du Sch....! Chef informiert, ich muss mal kurz heim, Wasserrohrbruch ... Ab ins Auto, so ziemlich jede Verkehrsregel ignoriert, ein Knöllchen wegen Geschwindigkeitsüberschreitung kassiert ("16 km/h zu schnell ..." - "War doch rechtfertigender Notstand!" - "Wenn Sie Widerspruch einlegen wollen, müssen Sie das schriftlich tun ..." blabla), mit quietschenden Reifen vorm Haus angehalten (dabei das zweite Knöllchen kassiert. Wegen Flaschparkens), rein in die Wohnung und ...
Na, es war halb so schlimm, hätte aber schlimmer kommen können. Ein Ventil unter dem Waschbecken im Bad war wohl undicht geworden und still und heimlich ist nun Wasser auf den Fußboden getropft, bis da eine recht beachtliche Pfütze auf den Fliesen gewesen ist, die sich den Weg in die Freiheit unter der Badezimmertür gesucht hat, von dort in den Flur und unter der Wohnungstür hindurch.
Der Schaden hielt sich aber in Grenzen. Abends habe ich mich dann schön artig bei Motzarella gedankt, habe ein sauberes Hemd angezogen, eine Flasche Wein geopfert und ein Päckchen Pralinen besorgt und bin rüber. Motzarella ist ganz gerührt gewesen, hat mich in ihre Wohnung gebeten. Dort sah es aus, wie auf den Möbelseiten des Bader-Kataloges: Unsäglich altbacken und kitschig, überall Nippes und dazwischen zwei Katzen, die mich mit Argwohn beäugten.
Mittlerweile ist mein Verhältnis zu Motzarella wieder normalisiert. Wir sprechen miteinander und zuletzt war sie sogar mal auf ein Glas Wein bei mir gewesen. Die Wände sind aber auch hellhörig, schimpfte sie, als sie das Tapsen ihrer Katzen aus ihrer Wohnung in meinem Wohnzimmer vernommen hat. Ah ja ...
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